Wer nach diesem Verständnis von Schicksal und Verhängnis lebt, der fühlt sich entweder zu Größerem bestimmt oder fügt sich in sein Leid. Der Protagonist der Uthred- Saga gehört zur ersten Gruppe. Sein Name ist Uthred, Sohn des Uthred, und er muss als kleiner Bub miterleben wie sein Vater, ein angelsächsischer Adeliger, und sein älterer Bruder im Kampf gegen die angreifenden Wikinger fallen. Als wäre das nicht schlimm genug, intrigiert sein Onkel auch noch erfolgreich gegen ihn und er muss den Sitz seiner Familie, die Bebbanburg, verlassen. Er wächst unter den feindlichen Dänen auf und gewinnt ihren Respekt, während er zunehmend Gefallen an der vorchristlichen, kriegerischen und entdeckerischen Lebensweise der Invasoren findet. Als er sich gerade in deren Gesellschaft integriert hat, wird auch sein dänischer Ziehvater in einem Hinterhalt getötet und Uthred ist gezwungen, Nordengland zu verlassen, um im Süden des Landes sein Glück zu finden. Dort tritt er in die Dienste des kränklichen aber ambitionierten Königs Alfred von Wessex, der das zersplitterte England unter der eigenen Herrschaft einen will und ihn prompt gegen die Nordmänner einsetzt. Uthred erlebt während seines Dienstes viele gewalttätige und amouröse Abenteuer. Er macht sich über die Jahre einen Namen als furchteinflössender Kriegsherr. Stets ist er hin- und hergerissen zwischen seiner Zuneigung zur nordischen Lebensweise einerseits und seiner Pflichterfüllung als Sprössling eines englischen Edelmannes andererseits. Dieser Konflikt begleitet ihn sein ganzes Leben lang. Dabei hat er aber immer nur Eines vor Augen: die Rückeroberung seines Familiensitzes, der Bebbanburg. Dort wurde er geboren, dort will er sterben. Diese Rückeroberung ist stets das Grundmotiv seines Handelns und zieht sich durch alle zehn Bände. Wird es ihm am Ende gelingen?
Die Uthred- Saga des englischen Autoren Bernard Cornwell ist wahrscheinlich die populärste Romanreihe, die sich mit dem Zeitalter der Wikinger beschäftigt. Sie wurde in über zwanzig Ländern aufgelegt, millionenfach verkauft und enterte die Verkaufscharts weltweit. Inzwischen umfasst die Reihe zehn Bände. Der Erfolg der Uthred- Saga beruht sicherlich auf dem erzählerischen Talent des Autoren. In vielen historischen Romanen bleiben die Hauptfiguren blass, erfüllen Stereotypen oder es gelingt keine Tiefe in der Darstellung ihrer Gedankenwelt und Motive. All das ist hier nicht der Fall. Uthred ist ein Kerl von Mann, der uns an seinen Gedanken, Motiven und Plänen teilhaben lässt. Er ist selbstreflektiert und durchläuft im Laufe der Geschichte ein persönliche Entwicklung. Zu Beginn der Geschichte ist er ein junger Heisssporn, der so manchen Fehler macht, dem seine Götter aber gewogen sind, so dass er immer mit einem blauen Auge davon kommt. Am Ende seines Lebens ist er viel ruhiger, überlegter und altersmilde. Diesen Prozess durchlebt der Leser mit ihm gemeinsam und es ist faszinierend ihn dabei zu begleiten.
Ein weiterer großer Vorzug dieser Reihe ist die ausführliche Schilderung des Konfliktes zwischen den alten Göttern und der zunehmenden Christianisierung Europas im Frühmittelalter. Bernard Cornwell beleuchtet Vor- und Nachteile der Entwicklung aus Sicht der damaligen Bevölkerung. Als Leser erlebt man den staunenden Uthred, der nicht nachvollziehen kann, wie die Menschen freiwillig die alten Götter aufgeben, obwohl deren Handlungen und Taten für ihn viel einleuchtender und stimmiger sind als das Treiben des Christengottes. Der Siegeszug von Christus lässt ihn schier verzweifeln. Insbesondere weil er mitbekommt, dass Frauen zunehmend unfreier werden und mit der Priesterschaft Männer an Macht und Einfluss gewinnen, die noch nie ein Schwert in der Hand gehalten haben, was mit seinem kämpferischen Weltbild einfach nicht konform geht. Trotzig will er die Vorzüge der christlichen Schrift und die damit verbundenen verwaltungstechnischen Errungenschaften nicht anerkennen, was ihn in einen dauerhaften Disput mit der Kirche und seinem strenggläubigen König führt. Es ist ein pures Lesevergnügen, an diesem Konflikt und seinen teilweise dramatischen Folgen teilzuhaben.
Zudem schafft es Bernard Cornwell die Ereignisse und Lebenswelt dieser Zeit unglaublich plastisch zu visualisieren. Egal ob Uthred in einem blutigen Schildwall steht, einer jungen Dame den Hof macht oder durch die dreckigen Straßen einer frühmittelalterlichen Stadt reitet- der Leser hat stets das Gefühl selbst dabei zu sein. Das Gelesene selbst zu erleben. Dieser Vorzug liegt sicherlich auch darin begründet, dass der Autor genau recherchiert hat und historische Ereignisse beziehungsweise Lebenssituationen bis ins Detail akkurat darzustellen vermag, obwohl er sich beim Plot literarische Freiheiten nimmt. Diese Akkuranz erlebt man nur selten im historischen Genre.
Die zehnteilige Uthred- Saga ist also rundherum gelungen. Sie ist temporeich, spannend und fesselt den Leser von der ersten bis zur letzten Seite. Wem historische Romane, die im Frühmittelalter spielen, gefallen, dem sei diese Buchreihe empfohlen. Die Lektüre lohnt sich. Im historischen Genre findet sich nur schwer etwas Besseres.
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